Zum vergangenen WochenendeWir sprechen von jenem Freitag, an dem ich snowboarden war. Damals hatte ich noch ein Leben. Wenn auch kein überwältigend spannendes, die Pisten wiesen eine durchschnittliche Steigung von 50 % auf, und die Anden hab ich mir auch beeindruckender vorgestellt. Alles in allem war der Klassenausflug – das halbe Heim ist gefahren – aber sein Geld wert. Großartig war, unsere südamerikanischen MitbewohnerInnen das erste Mal auf Skiern zu sehen. Da gab´s auch eine Steigung von 50 %, zwischen Gesäß und Hinterkopf.
Zum RestWir sprechen von Freitag Abend bis heute Früh. Da hatte ich kein Leben, sondern Prüfungen. Mein durchschnittliches Lernpensum war 23,5 h am Tag, meine Auffassungsgabe hab ich mir rascher vorgestellt. Alles in allem weiß ich weder bei der Ethik- noch bei der Economia chilena-Zwischenprüfung ob ich positiv bin. Großartig? Nichts. Doch, jetzt ist erst mal alles vorbei. Ab Freitag haben wir eine Woche Ferien und fahren zunächst nach Buenos Aires.
Zu meinem psychischen ZustandIch bin eine Versagerin. Bei der Fottotschopp-Prüfung hatte ich auch schon keine Ahnung, ich bin eine schlechte fototschoppera, wie Mao das ausgedrückt hat. Und hab ich schon irgendwann mal erwähnt, dass ich bei der ersten Economia chilena Zwischenprüfung durchgefallen bin? Ich hatte ein 3,5 von 7. Kann mir mal jemand erklären, warum es ein Notensystem – mit Kommanoten! – gibt, bei dem die ersten 3 Werte – inklusive Kommanoten – negativ sind? Was bedeutet das dann? 3 = nicht genügend, 2 = völlig ahnungslos, 1 = minderbemittelt? Jedenfalls bin ich konsequenterweise nicht in der Lage, früh genug mit der Lektüre zu beginnen. So kann das nicht weiter gehen. Jetzt geh ich an die Uni und krieg ich wohl die Ethikprüfung zurück. Wenn ich negativ bin verkauf ich mich in Argentinien an einen Menschenhändlerring. Ich möchte bitte, dass das Geld einem Verein zur Förderung der Askese und Kasteiung zu gute kommt. Das sind nämlich – laut meinem Ethikprof, der mich langsam nervt mit seiner „ich hab die Weisheit mit dem Löffel gefressen und muss die Gesellschaft bekehren“-Didaktik – die Schlüssel zur Disziplin, die wiederum allen erfolgreichen Menschen vertraute Lebenshaltung ist.
Zum HeimDie Buben haben sich eine Spielzeugratte gekauft, mit roten blinkenden Augen und einer Schnur, die das Viech laufen macht, wenn man daran zieht. Nach der Reihe haben sie damit die Mädchen erschreckt. Als ich in den Fernsehsaal gekommen bin und weder geschrieen hab noch auf den Sessel gehüpft bin, ja noch nicht mal mit der Wimper gezuckt habe, wie mensch so schön sagt, hab ich mir zum hundertsten mal anhören können: „Die ÖsterreicherInnen haben einen Eispflock im Herzen“. (Lisa und ich sitzen beim Mittagessen, Nacho kommt mit zwei Einkaufssackerln und fängt an, uns jedes einzelne Produkt zu zeigen. Er hält es dabei neben seinen Kopf und über unsere Teller, sagt uns, was es ist, wie toll es ist und wofür er es verwenden wird. Alfonso, der hübsche Mexikaner, geht vorbei und erkundigt sich nach unserem Befinden. Ich lade ihn zur Ausstellung ein. Weil sie gratis ist. Das hat mit den vorerst letzten Eispflock-Vorwurf von Nacho eingebracht. Ohne ein weiteres Wort hat er seine Einkäufe genommen – auch die ungezeigten – ist in sein Zimmer gegangen und redet seitdem nicht mehr mit uns. Wie ein kleiner Bub, der beleidigt ist auf seine Mama weil sie seinem Hauferl im Topf keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Wenn ich jedes Mal, nachdem er mich Hurenkind geschimpft hat, so lange nicht mit ihm reden würde, müsste ich ihn in vier nächsten Leben mehrere Monate lang täglich sehen, um das durchzuziehen. Wie auch immer, er ist hoffentlich noch lange beleidigt.)
Jedenfalls machen sie immer Fotos von den Erschrockenen, und beim Kollektivanschauen lachen sie dann so, wie Oli und ich damals über Jenny gelacht haben, als sie vor uns im Schlepplift gefahren ist, uns beweisen wollte, dass auch sie Slalom in der Lifttrasse fahren kann, dabei den Bügel verloren hat und sich dann die ganze restliche Strecke bei einer Steigung von ca. 80 % an den Bügel geklammert, die Knie gebeugt und den Hintern rausgestreckt hat. Was ich damit sagen will, sie lachen als wäre es das lustigste, was sie jemals erlebt haben – sorry Schätzchen, ich weiß, es ist mindestens 10 Jahre her, aber bis heute ungeschlagen, ich hab schon wieder Bauchweh vor lachen in der Erinnerung.
Sie kommen mir vor wie Jäger, die ein Mammut durch eine Falle erlegen und dann stolz die Beute betrachten und besprechen. Ich weiß nicht ob ich das mehr zum Kopf schütteln finde oder die Tatsache, dass es wirklich Mädchen gibt die schreiend vor einer Spielzeugratte davonlaufen. Wenn es wenigstens eine echte Ratte wäre, und echte FotografInnen, und immer derselbe Raum. Dann hätte das ganze schon wieder was Künstlerisches. Aber auch was Tierquälerisches, oder?
Übrigens ist es Jenny ungefähr 5 Meter vor dem Ausstieg gelungen, den Bügel wieder unter den Hintern zu schieben.
Zu meinen LeserInnenGibt es überhaupt welche?