Thursday, October 26, 2006

Nationalfeiertag

Ich hätte ja nicht einmal an den Geburtstag der Neutralität gedacht, wenn nicht Steffi frei hätte. Die "neue Österreicherin", die seit ein paar Wochen in der Casa Suecia wohnt, macht nämlich ein Praktikum bei der Wirtschaftskammer-Außenhandelsstelle in Santiago, und da wird heute nicht gearbeitet.

"Und, wie werdet ihr euren Nationalfeiertag begehen?", wollte Marco wissen, und war als Mexikaner entsetzt darüber, dass wir weder etwas typisches kochen noch eine Party noch sonst was machen werden.

Was sollen wir den feiern, hab ich ihn gefragt. Etwa, dass die Habsburger ein riesiges Reich verloren haben? Oder dass wir an zwei Weltkriegen schuld sind?

"Aber den dritten, den gewinnen wir" (Lisa zu Alex, Chilene, der sie daraufhin mit weit aufgerissenen Augen angeschaut hat.)

Ihr seht, wir repräsentieren unser Land - wie das schon klingt - nach bestem Wissen und Gewissen.

Das EuropäerIn - Eine Feldstudie

"Die Osterinseln, dort gibt es nichts zu sehen. Keine Vegetation, keine schönen Strände, nichts. Die Kultur, natürlich, die ist interessant, aber das kann man nachlesen und auf Fotos auch sehen. Und mehr gibt es nicht, die Osterinseln sind seltsam, bizarr. Aber, ich weiß, den Europäern, denen gefallen die seltsamen Dinge." (Prof. B. Mira, Economia Chilena, nachdem er uns gefragt hat, was von Chile wir vielleicht noch sehen werden)

"Die Wurzel allen Übels ist das neoliberale System, und wisst ihr, wessen Erbe dieses System ist? Europas Erbe, dort hat der Merkantilismus seinen Ursprung, und hat sich fortentwickelt zum Kapitalismus. Aber unsere österreichische Freundin hier, die kann auch nichts dafür, die Europäer sind selbst Opfer des Systems." (A. Rossi, Ética, mit seiner kritischen Einstellung an dieser Uni allein auf weiter Flur)

"Wie sind die europäischen Länder zu Weltmächten geworden? Na durch ihre Kolonien, und wissen Sie, wie die verteilt wurden? Sehen Sie sich doch die Grenzen Afrikas an, da sind die europäischen Machthaber bei einer Flasche Bourbon oder was weiß ich was über der Landkarte gesessen und haben anhand der Ressourcen und Hafenzugänge den Kontinent aufgeteilt. Durch seine Kolonien ist Europa so reich geworden, dass es sich sogar 2 Weltkriege und den Kalten Krieg leisten konnte. Und heute, mit ihrer ökologischen Bewegung, ist ein Kanarienvogel mehr wert als ein Menschenleben" (R.Riesco, Escenarios y actores internacionles. Alle haben mich schon angeschaut, und ich hab mich ganz schuldig gefühlt)

Tuesday, October 24, 2006

Bunte fremde Stadt


Valparaíso ist eine kleine Stadt an der chilenischen Pazifikküste, die ich so ausnehmend großartig fand, dass meiner Meinung nach jeder Mensch auf der Welt einmal dort gewesen sein muss. Dieser Ansicht ist übrigens auch die UNESCO, und deshalb braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, falls ihr euch nicht in eben diesem Augenblick auf die Socken macht.
Wenn ihr dann mal dort seid, unbedingt auf den vielen Hügeln beziehungsweise den vielen Hängen des Hügels herumspazieren. Rauf und runter führen Standseilbahnen; sehr faszinierend fand ich wie immer auch den Frachthafen, aber diese Affinität teilt wohl nicht jede/r.

Anne – Lisas Freundin, die in Buenos Aires studiert und bei der wir auch übernachtet haben – und noch eine Innsbrucker Studentin waren in Santiago zu Besuch, und wie das so ist, wenn Gäste kommen: die schönen Teile von Stadt und Land werden besucht. Santiago gefällt mir ein wenig, das heißt, viel besser, seit die beiden da waren, und glücklicherweise bin ich nun – nach 7 Wochen und 321.000 Telefonaten, E-Mails, Zornestränen und Tobsuchtsanfällen – stolze Besitzerin einer neuen Kamera. Die Zollbehörde hat wirklich alles versucht, mir das Teil vorzuenthalten, von falscher Telefonnummer über Totstellen bis hin zu Streik…Über 30 Prozent Importsteuern nicht zu vergessen.

Die Schwarz-Weiß-Party von der ich das letzte Mal geschrieben habe, hat in Lisas Bett geendet – weil ich nicht mehr in der Lage war, die Stiegen hinauf in mein eigenes zu wanken. Ausgehtechnisch gibt es seither nur eine Neuentdeckung: die Ex-Fabrica, Disco in einer ehemaligen dreistöckigen Fabrikshalle, ganz tolle Location, aber mit der lieb- und geschmacklosen Inneneinrichtung haben sich die Verantwortlichen an einem potentiell geilen Club vergangen.

Meine Prüfungsnoten sind – teils unerwartet – gut ausgefallen, der Frühling scheint sich nun doch in Santiago einzunisten, und die Hitze beginnt mir zuzusetzen. Nein, nein, ich beklage mich nicht, Sonne ist schön, Sonne macht glücklich.

Morgen hab ich übrigens 2-Jahres-Beziehungs-Tag, ich wünsch mir einen Argentinien-Reiseführer. Da fahren wir nämlich bin, Weihnachten in Feuerland, Silvester in Buenos Aires. Ich freu mich schon so auf unsere Chile-Argentinien-Peru-Chile-Reise, dass ich am liebsten sofort meine Sachen packen würde. Reisen ist schön, reisen macht glücklich.

Bunte fremde Stadt 5



























Bunte fremde Stadt 4





































Bunte fremde Stadt 3









































Bunte fremde Stadt 2































Bunte fremde Stadt 1




































Saturday, October 07, 2006

Von Wellpappleisten und Erstrebenswertem

Es hat sich nichts erzählens- oder gar veröffentlichenswertes getan in meinem Leben,
außer dass mein Zimmerschmückungsakt nun vollendet ist, siehe Fotos. Ansonsten hatte ich diese Woche drei Prüfungen, die kommende Woche wird die Ergebnisse bringen. Gestern war ich betrunken, zuerst eigentlich nur ganz mies drauf, den ganzen Tag, weil ich zuviel über mich selber nachgedacht habe. Dann hab ich mich bei Oli über Skype ausgeheult, und später, als ich Menschen wieder ertragen konnte, hab ich mich unten betrunken mit ein paar anderen HeiminsassInnen. Ja, und immer wenn ich betrunken bin, finde ich den hübschen Mexikaner noch hübscher. Keine Sorge je hübscher ich ihn finde, desto mehr meide ich ihn. Anders ausgedrückt: sein Hübschheitsgrad und jegliche verbale oder nonverbale Kommunikation zwischen uns verhalten sich reziprok zueinander. Langsam außerdem verfestigt sich in mir die Annahme, dass er schwul ist. Nicht nur, weil er kaum brät, unglaublich feminine Gesichtszüge hat und mich Greta Garbo nennt, sondern auch weil, achso ja, das waren schon alle Gründe.

Meine Kamera hab ich übrigens noch immer nicht - ein Streik der Zollbehörde... wer´s glaubt.
Momentan widert mich die Gesellschaft anderer Menschen erneut an und ich wäre gerade am liebsten ganz weit weg, allein, unerreichbar. Doch heute abend ist Black `n´White Party hier im Haus, daraus wird wohl also nichts. Es wird darin enden, dass ich wieder betrunken sein werde.
Glaubt ihr, ein Nomadendasein könnte die Lösung sein? Unlängst hab ich mir überlegt: "Sesshaft werden, geregeltes Berufsleben, was für ein grauenvoller Gedanke. Ich wäre gern mein ganzes Leben lang unterwegs, immer woanders, immer andere Einkommensquellen." Dann hab ich mir überlegt, hm, das ist aber eigentlich Weglaufen. Bloß, wovor? Vor einer langweiligen Zukunft, die sich nicht erstrebenswert anfühlt? Oder vor einer Variante der Zukunft, die erstrebenswert sein könnte, die ich aber gar nicht kennen will. Ja, so fühl ich mich gerade, falls das irgendeinen Sinn macht, und jetzt geh ich duschen.