Thursday, August 31, 2006

Hier noch ein paar Fotos von HeiminsassInnen


Miss Finnland,Miss Italien und Miss Mexiko bzw. Carolina, Eleonora und Eli


Mao, der soooooooo in die Lisa verliebte Kolumbianer


Ignacio, Nacio, Nacito - unser Nesthäckchen jedenfalls


Santiago, Santi oder "der Gockelhahn"


Eli und Lisa


Alex und ich. Alex ist einer von vier ChilenInnen im Haus und spricht fließend deutsch...

Wie ich in der Schuhschachtel gelandet bin

Mein eigenes Zimmer, meine süße kleine Schuhschachtel! Ja, ich bin umgezogen, mittlerweile das zweite Mal, von einem Doppel- in ein Doppel- in ein Einzelzimmer. Wie berichtet, in den ersten Tagen hab ich allein in einem Doppelzimmer gewohnt. Als die – etwas skrupellose, sind alle Immobilienbranchenmenschen so? – Vermieterin Carmen Gloria mir eine compañera angekündigt hat, musste ich die Flucht ergreifen, weil ich nicht die nächsten vier Monate zu zweit auf 15qm2 leben wollte. Okay, vielleicht waren es 16,5, jedenfalls zu klein. Da aber kein Einzelzimmer frei war, hat mir Carmen Gloria ein Bett in einem anderen Doppelzimmer angeboten, das ungefähr zweimal so groß war – allein im Wandschrank hätte eine Familie leben können – und das Unikum einer Terrasse aufwies. Eine drastische Wertminderung stellten jedoch die Schlafgewohnheiten meiner amerikanischen Mitbewohnerin Lauren dar. Durch die Ohrstöpsel hindurch hab ich sie schnarchen, mit den Zähnen knirschen, reden und seufzen gehört. Bald fand ich heraus, dass Leire, eine Spanierin, die vorher mit ihr das Zimmer geteilt hatte, aus genau diesem Grund nach zwei Wochen umgezogen ist. Und Carmen Gloria auch davon erzählt hat. Als ich ebendiese gefragt habe, warum sie mich mit einem schnarchenden Mädchen in ein Zimmer steckt, hat sie gemeint: „Naja, die Spanier, die übertreiben ja immer alles, ich hab ihr nicht geglaubt, dass es so schlimm ist.“ Nun, es war so schlimm, dass ich sogar Lauren gesagt habe, hör mal, ich kann nicht länger mit dir in einem Zimmer leben, du schnarchst. Liebevoller konnte ich mich nicht ausdrücken, schnarchen ist unumschreibbar. Carmen Glorias Lösungsvorschlag war dann, dass Leire und Lauren Zimmer tauschen, ich also mit Leire nach dem Schicksal auch ein Zimmer teile und Lauren in einem Einzelzimmer so laut sein kann wie sie möchte. Hinzuzufügen ist an dieser Stelle, dass Lauren schon im vergangenen Semester dieses Doppelzimmer bewohnt hat und ihr französische Mitbewohnerin ebenso wenig schlafen konnte wie Leire und ich. Doch sie hatte eine Ausweichmöglichkeit, ihren pololo (Freund auf chilenisch, so ein lustiges Wort), der im selben Haus gewohnt hat. Davon wusste Carmen Gloria aber nichts, so etwas sollte mensch sie nicht wissen lassen, sie hat nämlich Angst, dass aus Studierendenheim Stundenhotel wird. Wie dem auch sei, Lauren hat sich erst bereit erklärt umzuziehen, dann aber ein neues Opfer gefunden: Lauren 2. Auch eine Amerikanerin, die beiden Mädels verstehen sich sehr gut, und vielleicht haben sie ja nicht nur denselben Namen, sondern auch dasselbe Problem. So kam es jedenfalls, dass ich mit Lauren 2 Zimmer getauscht habe – nachdem ich mir von Carmen Gloria versichern ließ, dass Lauren 2 weiß, was sie tut! – und jetzt ein Einzelzimmer bewohne. Das die Form einer Schuhschachtel hat, aber ich habs trotzdem lieb. Zuerst hab ich mich geärgert, weil ich mich irgendwie hinauskomplementiert gefühlt habe – als ob ich die troubles gemacht hätte – aber mittlerweile denke ich mir, es hätte mir nichts besseres passieren können. Also wenn mich wer besuchen möchte – in der Schuhschachtel ist Platz für mehrere!

Sunday, August 27, 2006

Wieder da!

Weil ich ein schlechter Mensch bin…weil ich eine Prüfung hatte… weil ich auf die Muse gewartet habe… Gründe genug meine blogtechnische Nachlässigkeit zu verstehen und zu verzeihen?

Sag mir wie viel Sternlein stehehen auf dem blauen Himmelszelt? Weiß ich auch nicht, aber auf der Sternwarte in La Serena – eine von unzähligen, die Gegend ist mit einem der klarsten Fleckchen Himmel der südlichen Hemisphäre gesegnet – waren es mehr, als ich je zuvor gesehen habe. Und andere, Südhalbkugel eben. Jupiter lässt grüßen.
Wenn Möwen kreischen, mensch gern barfuß geht und es nach Essen riecht, handelt es sich um ein Picknick am Strand. Meine zweite schöne Erinnerung an unseren Kurztripp. Herrlich wars, mal aus Santiago rauszukommen, keine Winterjacke tragen zu müssen und das Meer zu spüren. Sehenswert war außerdem noch die Cordillera costal, ich habe versucht, das fotografisch zu belegen.
Ansonsten gibt es nicht allzu viel, was mir von diesem Ausflug in guter Erinnerung geblieben ist, was zwei wesentliche Gründe hat.

Wir waren mit den falschen Menschen – aus der Casa Suecia – unterwegs. Sagen wir besser, mit einer unglücklichen Konstellation von Menschen. Darf ich vorstellen, die drei Musketiere, die versuchen, sich abends an Alkohol-, nächstentags an Koffeintablettenkonsum zu übertreffen. Einen kennt ihr bereits aus „Templo de la Perdición – Handlungsstrang 2“, Santiago, 22, Mexikaner. Ich darf einen Handlungsstrang hinzufügen: Lisa und Santiago sind sich auf dieser Reise näher gekommen, was mir wiederum die Nacht mit dem jüngsten Mann in einem (nicht im!) Bett eingebracht hat, Ignacio, 19, Spanier. Auch genannt Nacio oder Nacio borracho (betrunken). Er benimmt sich manchmal wie ein Kind – hört laut Musik und lässt seine Tür offen, damit jede/r weiß, welch coole Mucke er hört, erschreckt mit Vorliebe Mädels, jedes zweite Wort ist Hurensohn – dafür putzt er die Casa wenn ihm langweilig ist. Seit er Angst vor mir hat – oder hat es was mit dem Arm zu tun, der ihn der Früh über mir lag? – verstehen wir uns besser. Die hat er, seit ich mir auf dem Ausflug anmerken ließ, was ich davon halte, wenn ich drei Stunden auf restbetrunkene Halbstarke warten muss und deshalb nicht mehr in den Nationalpark fahren kann. Der dritte von ihnen ist Jimmi, der amerikanische Nerd, 21, auch den kennt ihr schon, er ist liiert mit Eli, der Mexikanerin, die auch mit war.
Ich habe die falsche Rolle gespielt. Bei meinem nächsten Trip bin ich wieder das Alphatier, zumindest wenn es sonst nur alkoholisierte Kandidaten gibt.

Wieder zurück hat sich auch einiges getan, momentan beschäftigt mich die Frage, ob ich in ein Einzelzimmer ziehen oder doch besser im Doppelzimmer mit Terrasse bleiben soll. Doch davon, der neo-neo-neo-liberalen Prüfung und überhaupt ein ander Mal, vielleicht morgen…

Ausflugs-Eindrücke







Friday, August 11, 2006

Konstruktionen chilenischer Wirklichkeit oder 24.Juli bis 11. August

Ankommen
Flughafen Santiago, 5 Grad, Nieselregen, Herbst. Lateinamerika? Ankunft bei Rodrigo, von dem wir dachten, er würde unser Vermieter sein. Das Zimmer, eiskalt. Die Heizung, nie aufgedreht. Möblierung, spartanisch. Das Warmwasser, laukalt. Küche und Bad, verdreckt. Internetverbindung, kapriziös. Gemeinschaftsraum, nicht vorhanden. Beschwerden, nicht möglich, Rodrigo, kaum zugegen.
Lisa, die vor mir angekommen ist, erträgt das seit 10 Tagen. Eine weitere Woche bleiben wir im Polarzimmer. Ich schlafe auf einer Isomatte in meinem Schlafsack und bin froh, dass ich die Decke und genügend warme Kleidung eingepackt habe. Vormittags stehe ich erst auf, wenn meine Blase nicht mehr mitspielt. Den Rest des Tages verbringen wir in Einkaufszentren, Kinos und Cafes, dort ist es nämlich warm. So wie auch im Freien, wenn die Sonne mal über Santiago scheint. An manchen Plätzen und Straßenzügen, hinter Palmwipfeln und Hochhäusern, geben dann die Wolken den Blick frei auf die schneebedeckten Anden. Lateinamerika!

Kleines Wörterbuch des Hauses

Casa Suecia: Das Studierendenheim, das unsere neue Bleibe geworden ist. Siehe auch Templo de la Perdición.

Doppelzimmer: in so einem lebe ich, derzeit aber alleine. Wenn ich Glück habe, kommt niemand mehr und ich habe ein großes Zimmer ganz für mich allein.

Ja, kalt: wirklich kalt, ist das Wasser, das hier die Waschmaschinen speist.
Ja, warm: unglaublich warm, ist das Wasser, das hier aus der Dusche kommt.

Jeder jede: lautet die unausgesprochene Devise der Buben. Das fängt beim Anmachen (siehe Beispieldialog) an und hört im Zimmer auf. Siehe auch Jungscharlager-Wugln. Die nicht geschlechtsneutrale Formulierung ist Absicht, die Mädchen sind viel zurückhaltender. Angenehm ist, dass sich die Jungs ihr Querbraten nicht übel nehmen. Ausnahmen von diesem Verhalten siehe Templo de la Perdición.
Die Mädels hingegen haben so ihre Vorlieben, siehe auch hierzu Templo de la Perdición.

Beispieldialog
Umstände: Letzten Samstag sind wir – der Großteil der Insassen der Casa Suecia – gemeinsam ausgegangen. Der kleine Mexikaner mit dem Ausziehblick hat sich alle Mühe gegeben.
Isabella, möchtest du tanzen?
No!!!
Isabella, möchtest du ein Bier?
No, gracias.
Isabella, gibt es da herinnen irgendeinen Typen, der dir gefällt?
Oh ja, da gibt es einige (Demonstrativ lüstern auf irgendwelche Männer starrend).
Aha, auf welchen Typ Mann stehst du (anbiedernder Grinser)?
Nun, wie gesagt, hier gibt es schon ein paar ganz nette, es ist aber eigentlich auch gleichgültig, denn ich habe einen Freund. (Angenehme Stille).
Und du bist im treu (aufgeregtes Zucken um die Mundwinkel, Dackelblick)?
JA!
Oh, das ist so toll, ich bau dir einen Altar. (Angewiderte Stille).
Weißt du, was das schlimmste ist im Leben?
Nein?
Zu spät zu kommen (hält sich am Pfosten fest, um nicht auszurutschen).
Tja, solche Dinge passieren.
Und deine Freundin – Name völlig unwichtig, Anm. – hat die einen Freund?
Nein. (Geiler Blick flammt wieder auf, heftet sich auf Lisa).

Jungscharlager-Wugln: ist Lisas Bezeichnung für den Großteil der hier lebenden, aus aller Menschen Länder stammenden, Studis. Mit 24 fühl ich mich entsetzlich alt, bisher gab es einen einzigen Tag, an dem der harte Kern nicht Party gemacht hat. Die „areas comúnes“ sind aber auch geradezu geschaffen dafür. Es gibt unzählige Sitzgelegenheiten, etwas, das man als Tanzfläche verwenden kann, Kühlschränke und genug Platz für alle.

Pisco-Pudding: Gelatine, zubereitet mit Pisco, dem hochprozentigen chilenischen Nationalgesöff. Wird vorzugsweise am Wochenende vor dem Weggehen konsumiert und dient dem so rasch wie möglich betrunken werden.

Templo de la Perdición: Spanischer Titel eines Indiana-Jones-Films bzw. des Kolumbianers Bezeichnung für die „Casa Suecia“ bzw. mein Name für die hier sich abspielenden Soap Opera.
Handlungsstrang 1: Der Kolumbianer, Mauricio, respektive Mao, ist unser Lieblingsmensch hier. Er ist unglaublich lustig, hat ein edles indianisch angehauchtes Gesicht und fährt total auf Lisa ab. Das wird noch was! – ich werde berichten.
Handlungsstrang 2: A (weiblich, Chilenin, mäßig attraktiv), ist total in S (männlich, Mexikaner, sehr attraktiv) verliebt. Sie hat sich offenbar abschleppen lassen und dann feststellen müssen, dass sie nicht einziges Objekt seiner Begierde ist. Was sie nicht daran hindert, immer wieder verliebt seine Nähe zu suchen. Wenn sie zuviel getrunken hat, ergeht sie sich in öffentlichen Heulorgien ob seines Desinteresses und lässt sich von verständnisvollen Buben und Mädchen trösten. S. kotzt das ziemlich an, und Lisa und ich verstehen nicht, wo ihre Würde bleibt.
Handlungsstrang 3: E (weiblich, Mexikanerin) und J (männlich, Amerikaner) sind beide wenige Tage vor uns hier eingezogen und mittlerweile ein Pärchen. Ein ganz süßes. Bloß, Lisa und ich verstehen nicht, warum sie nicht die ganze Zeit auf einem ihrer Zimmer verbringen.

Studieren
Die Uni – „la U“ – ist zehn Minuten von der Casa Suecia entfernt, klein, nicht besonders anspruchsvoll und kann sich mit wahnsinnig zuvorkommenden und uns gegenüber sehr hilfsbereiten Profs rühmen.

STUDIENBLATT
Universidad Gabriela Mistral
Registro Academico
Isabella Weiss
Periodo: 2006
Sem: 2
Lista de Cursos
Economía chilena
Escenarios y actores internacionales
Multimedia: Photoshop (hiesige Aussprache: Fottotschopp)
Ética
Taekwondo

Der Prof aus Economia chilena ist mindestens 80, ein Prof der alten Schule („Ihr kommt alle pünktlich, der einzige, der zu spät kommen darf, bin ich“) und sehr faszinierend. Ich glaube, er fände sein Leben halb so lebenswert, wenn er nicht mehr unterrichten würde.
Letztens hat er mitten in seinen Ausführungen zur chilenischen Geschichte „hijo de buta“ (Hurensohn) gesagt. War auf Pinochet bezogen. Des weiteren liebe ich ihn für seine wunderschöne Aussprache. Alte Schule eben.

Der Kollege aus dem powi-Kurs, internationale Szenarien und Akteure, fühlt sich bemüßigt, mit mir in der Stunde deutsch zu reden – hat in Deutschland promoviert – und verwirrt mich ein wenig damit, vor allem, weil ja sonst kein Mensch was versteht. Sonst aber auch sehr nett.

Der Multimediatyp ist vermutlich nicht viel älter als ich, süß aber klein und sehr spaßig.

Der Ethikmensch ist ein alter Linker, schimpft immerzu auf die Kirche und redet so schnell, dass ich nur die Hälfte verstehe. Mensch muss dazusagen, dass das chilenische Spanisch an sich schon grauenhaft schlampig und schnell gesprochen wird. Dennoch mag ich ihn.

Der Sportlehrer, nun ja, in der ersten und bisher einzigen Einheit hatte ich Privatunterricht… Er ist auch klein und noch dazu rundlich. Aber er bringt mir eine Kampfsportart bei, hoffentlich.

… und Santiago selbst
Viel kenn ich noch nicht von der Stadt, das Studierendenheim liegt im Viertel Providencia, Marke „sicher und nobel“. Erinnert ein wenig an einen Londoner Vorort. Zehn Marschminuten entfernt liegt die Aorta der Stadt, die Avenida Providencia.
Mein Barrio sieht aus, als wäre es am Reißbrett entworfen worden. Lange gerade Straßen, idente Kreuzungen, Gehsteige gleich gepflastert und bepflanzt – und sämtliche Wohnhäuser geben sich im späte 70er bis Mitte der 80er-Schick: stets um Individualität bemüht und doch immer zur gleich matschigen, Kopfschütteln auslösenden, geschmacklosen Bauästhetik führend. Und irgendwie mag ich´s doch.
Cafes, Restaurants, Diskotheken – viel erinnert an Europa – von der Einrichtung über die Speisekarten bis hin zum meist eher reservierten Auftreten – wenig an Lateinamerika. Der bisher einzige Sightseeing-Nachmittag hat uns auf die Plaza de las Armas geführt, wo ich mich schon eher so fühle wie in anderen lateinamerikanischen Städten. Dieser Platz ist großartig, eine Schatztruhe von Menschenleben-Augenblicken.
Ich glaube, es stimmt, Santiago muss man entdecken, und ich mag diese Stadt.

Morgen verlass ich sie zum ersten Mal – wegen Feier- und Fenstertag ist erst am Mittwoch wieder Uni, und wir fahren nach La Serena, eine Stadt 6 Autobusstunden nördlich von Santiago, an der Küste. Fotos folgen.