Monday, September 04, 2006

Immobilienmaklerin oder Verwaltungsreformerin?

Stellt euch den perfekten Sonntagnachmittag vor und verlegt ihn auf eine Dachterasse in Santiagos Barrio Brasil - dann könnt ihr euch ungefähr vorstellen wie großartig mein gestriger Tag war.
Wir sind der Einladung einer Diskobekanntschaftin zum Brunch gefolgt und wurden belohnt mit Anden-Panoramablick, strahlendem Sonnenschein, lustigen ZeitgenossInnen, Spielzeug, Chill-Out-Musik aus dem Radio - diese Radiosender hier, aber hallo - und allem was sonst noch dazugehört...









Danach sind wir noch durch das Viertel spaziert, waren traurig, weil wir dort nicht wohnen und haben versucht, uns alle Vorteile unserer Bleibe ins Gedächtnis zu rufen. Uninähe beispielsweise. Oder Internet. Das lustige Heim nicht zu vergessen. Im Reiseführer wird das Barrio Brasil als "bohemian-style" beschrieben, früher ein besseres Viertel, dann verlassen, und langsam ziehen immer mehr junge Leute und Familien wieder dort hin.
So beim Dahinschlendern haben wir unzählige leerstehende Kolonialstilhäuser gesehen, mit meterhohen Fenstern, Erkern, Terassen - und sind auf die Idee gekommen uns als Immobilienmaklerinnen in Santiago niederzulassen. Lisa war zwar nicht so überzeugt davon, aber ich hab die Gedanken weitergesponnen und wollte am Ende schon Lokalpolitikerin werden. Jedenfalls, so ein Infrastrukturprojekt fürs Barrio Brasil wäre schon reizvoll. Etwaiger Gewinn würde in das Projekt "Aufarbeitung der Pinochetvergangenheit" oder so fließen. Auch da waren Lisa und ich nicht ganz einer Meinung. Sie wollte lieber in Sonnenbrillen und Röhrenjeans investieren. Hat mich mit dieser nicht ganz ernst gemeinten Bemerkung aber in einen Gewissenskonflikt darüber gestürzt, ob Geld nicht vielleicht tatsächlich irgendwo dringender gebraucht wird.















































Heute Morgen wars dann kurz aus mit glücklich sein in Santiago. Langsam wird die Sache mit meinem Studierendenvisum so grotesk, dass mensch einen chilenischen Ableger von MA 2412 drehen könnte. Es reicht nicht, dass das chilenische Konsulat in Wien erniedrigende Anforderungen wie Aidstest, Blutbefund, ärztliches Attest über meine physische und psychische Auslandssemesterfähigkeit, Führungszeugnis und Einkommensnachweis verlangt und sich 110 Euro blechen lässt. Ins Land eingereist muss mensch zwei weitere Wege erledigen. Das eine ist, zur Policia Internacional gehen – nachdem man Geld für Passfotos mit Name und Passnummer ausgegeben hat – und sich dort einen Wisch ausstellen lassen, auf dem Personalien, Foto und das Ablaufdatum des Visums stehen. Vom Einreisedatum sechs Monate voraus zu rechnen kann nicht so schwer sein, oder? Doch, und leider bin ich auch erst draufgekommen, als ich schon bei der zweiten Behörde, beim Registro Civil war. Dort muss ich mir nämlich mit dem Bescheid von der P.I. eine ID-Card ausstellen lassen. Weil aber das Visums-Ablaufdatum falsch war, musste ich noch mal zur P.I. tingeln – wo ich, mit demselben Beamten, der das falsche Datum draufgeschrieben hat!, streiten musste, ob sechs Monate vom 25. Juli weg dann der 25. Jänner oder der 25. Februar ist. Dann war ich noch zweimal beim Registro, einmal hatte es zu wegen zweitägiger Umbauarbeiten und einmal ist nach 2h Wartezeit das System abgestürzt. Als ich heute das mittlerweile vierte Mal dort war, hat mir die Beamtin erklärt, sie kann mir leider keine ID-Card ausstellen, dafür hätte ich nämlich innerhalb der ersten 30 Tage nach der Einreise kommen müssen…Wann denn, an dem Tag zum Beispiel, an dem ich gleich alles erledigen wollte und zur P.I. zurückgeschickt wurde? Oder hätte vielleicht auch der Tag gereicht, an dem ihr umgebaut habt? Ja, hätte, aber das hat sie alles nicht interessiert, so kann sie mir keinen Ausweis ausstellen. Bald hätt ich sie beschimpft, hab aber dann doch nur „mierda burocracia“ grummelnd den voll gestopften Wartesaal verlassen. Mit einem Zettel in der Hand, auf dem die Adresse vom Innenministerium steht. Da muss ich nämlich jetzt hin, um mir bestätigen zu lassen, dass das 30-Tage-Frist-Versäumnis nicht meine Schuld ist. Oder ich zahle mal wieder, aber auch Strafe kassieren darf nur das Innenministerium, Angelegenheit für Ausländer, zweiter Stock.

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